CAON – control and optimize nature

Mobile App als Interface für interaktive Kunst-Installationen

Stell dir eine spekulative Zukunft vor, in der der technologische Solutionismus auf die Spitze getrieben wurde. CAON – control and optimize nature erforscht das Potenzial neuer Technologien für das Management künftiger Ökosysteme. In einem Lebensraum, in dem Pflanzen-, Pilz- und Tierarten durch Technologien wie 3D-Druck, CRISPR und synthetische Biologie verändert wurden, kannst du beobachten, wie eine KI ein empfindliches Ökosystem optimiert und ausbalanciert. Durch die Interaktion mit einem Smartphone, aus der Perspektive eines KI-Simulators, bist du eingeladen, mit den kreierten Arten zu fliegen, sie weiter zu optimieren und das sich verändernde Ökosystem zu beobachten. CAON reagiert auf den Trend zur technologiegestützten Lösungsfindung, indem es Erzählungen über ein unberechenbares System unter extremer Kontrolle konstruiert – was optimieren wir, und was ignorieren wir dabei? Das Projekt untersucht unsere Tendenz, komplexe Ökosysteme zu vereinfachen, indem wir die Natur als ein System behandeln, das berechnet und repariert werden kann.

 

Beschreibung
Aufgrund der Erderwärmung und des Artensterbens wird unser Planet zunehmend unbewohnbar. Als Lösungsansätze setzen Wissenschaftler vermehrt auf Technologiegen wie Gentechnik, synthetische Biologie und künstliche Intelligenz. Oft unterstützt durch unseren fehlgeleiteten Instinkt, die Natur zu kontrollieren und zu optimieren. CAON ist ein spekulatives Projekt über die Zukunft eines Ökosystems unter extremer Kontrolle und stellt die Grenzen des technologischen Solutionismus als Lösungsansätze für Artenschwund und Klimawandel in Frage. Die Erzählung spielt in einer spekulativen Simulation in 30 Jahren, in der künstliche Intelligenz und synthetische Biologie zusammenarbeiten, um eine optimierte Umgebung für mutierte Arten zu schaffen, die der zunehmend feindlichen Umwelt standhalten. Ein von künstlicher Intelligenz angetriebener Simulator kreiert und optimiert hybride Pflanzen-, Pilz- und Tierarten, um ein empfindliches Ökosystem in diesem imaginären Szenario auszugleichen und zu kontrollieren. In Wir Klimawandler weist die Autorin Elizabeth Kolbert auf die «Kontrolle» als grundlegende falsche Logik des Anthropozäns hin: «Wenn Kontrolle das Problem ist, dann muss nach der Logik des Anthropozäns noch mehr Kontrolle die Lösung sein.» Während wir uns in einer zunehmend heiklen politischen Atmosphäre bewegen, dominieren technologische Lösungskonzepte die Gespräche über den Klimawandel.

Künstliche Intelligenz ist mit ihren Versprechungen einer kreativen Problemlösung, verpackt in einer «Black-Box-Technologie», zum Star der techno-solutionistischen Denkweise geworden. Die Technologie bringt ihre eigenen, vom Menschen bevorzugten Vorteile mit sich – was optimieren wir, und für wen optimieren wir? Wenn wir versuchen, ein nicht berechenbares System zu berechnen, wessen Bedürfnisse berücksichtigen und bevorzugen wir? CAON betrachtet einige der Technologien, die wir heute einsetzen, und stellt sich eine Zukunft vor, in der die künstliche Intelligenz diese Technologien auf die Spitze treibt.

Um beispielsweise das Dengue-Fieber zu beseitigen, wurden Gelbfiebermücken in Brasilien so gentechnisch verändert, dass ihre Nachkommen nicht überleben. Die von Evans u. a. 2019 veröffentlichten Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass viele Nachkommen der gentechnisch veränderten Mücken trotzdem überlebt haben und sich weiter ausbreiten und vermehren. Wo führt uns unsere wachsende Fähigkeit, das Leben zu manipulieren, hin? Wir verlassen uns auf technologiegestützten Lösungsansätze wie Gentechnik, synthetische Biologie und künstliche Intelligenz, die in der Regel ihren eigenen, vom Menschen bevorzugten Nutzen haben und oft von unserem fehlgeleiteten Instinkt, die Natur zu kontrollieren und zu optimieren unterstützt werden. Wir nutzen bereits Technologien des maschinellen Lernens für die Identifizierung und Kartierung von Arten – und es ist nicht schwer, sich eine nicht allzu ferne Zukunft vorzustellen, in der das maschinelle Lernen den Balanceakt für uns übernimmt und «optimiert» für menschliche Ziele.

Jede spekulative Art hat eine Hintergrundgeschichte, die auf wissenschaftlichen Publikationen basiert: Bienen, die aufgrund von Pestiziden den Orientierungssinn verlieren; Schnecken, die von invasiven Arten verdrängt werden; Reis, der zunehmenden Trockenheit und Temperatur ausgesetzt ist. Wir stellen uns eine Zukunft vor, in der Technologien wie 3D-Druck, CRISPR und synthetische Biologie eine Rolle dabei spielen, Arten so zu verändern, dass sie bessere Überlebenschancen haben – Bienen mit 3D-gedruckten Teilen, die ihre verlorenen Navigationsfähigkeiten wiederherstellen; Hawaiianische Landschnecken mit Schlangen-DNA zur Eindämmung der eingeschleppten Achat- und Wolfsschneckeninvasion; gentechnisch veränderter trocken-, temperatur- und insektentoleranter Reis.

Hybride Arten
Jede spekulative Spezies (2054) in der Umwelt hat eine Hintergrundgeschichte, die in realen Szenarien wurzelt sind und auf wissenschaftlichen Publikationen basieren (2011 – 2022). Sie sind nicht mit Photoshop erstellt, sondern von einer künstlichen Intelligenz auf der Grundlage spekulativer Beschreibungen mit den Deep-Learning-Text-zu-Bild Generatoren Dall-E und Stable Diffusion generiert. Beispiele:

Honey Bee
Honey Bee
2020 Disease resistant genetically optimized microbiome, Laboratory research, Leonard et al., 2020
2054 Resilient strain of genetically engineered super bees with additional 3D-printed parts repairing their lost navigational abilities
Cockroach
Cockroach
2022 Remote-controlled equipped with a tiny wireless control module, powered by a rechargeable battery attached to a solar cell, Laboratory research, Kakei et al., 2022
2054 Optimized for long distance flights, equipped with advanced surveillance systems
Olive Fly
Olive Fly
2012 Sterile insect technique development, Field trials, Ant et al., 2012
2054 Gene driven olive flies with glowing colors to attract predators as an environment-friendly insect pest control method
Flower Beetle
Flower Beetle
2015 Developed radio system to remotely stimulate free flying beetles by electrical stimulation, Laboratory research, Sato et al., 2015
2054 Remote controlled with lightweight solar cells and trained for uniform seed distribution

Mittels «Optimize»-Button kann das Publikum weiteren Variation aller Arten kreieren lassen. Dadurch wird die Simulation erweitert, chaotische und unerwartete Abläufe entstehen. Hier ist ein Beispiel für eine mit Dall-E erzeugte «Optimierung» der Honigbiene:

 

Erfahrung und Wirkung für das Publikum
Aus der Perspektive eines KI-Simulators wird das Publikum eingeladen mittels Smartphones durch ein sich stetig veränderndes Ökosystem zu fliegen und Pflanzen-, Pilz- und Tierarten zu optimieren. Zwei über das Internet synchronisiert Projektionen zeigen den Bildschirm des Smartphones sowie Statistiken und Hintergrundgeschichten der laufenden Simulation. Nähert man sich einer der 74 Arten, wird auf der Grundlage wissenschaftlichen Publikationen angezeigt, wann, wie und welche Forschungseinrichtungen diese mutiert hat. Klickt man den «Optimize»-Button, erscheinen weitere Variationen dieser Spezies sowie eine spekulative Beschreibung, wie diese in 30 Jahren fiktiv weiter «optimiert» sein könnte. Dies erweitert zugleich die Simulation und führt zu chaotischen und unerwarteten Abfolgen. Dreht man sich 360°, steigt die Artenvielfalt. Das speziell für CAON komponierte Klangerlebnis reagieren auf alle Bewegungen und jede spekulative Art hat ihren eigenen charakteristischen Sound. Fliegende Cyborgs, welche mit zahlreichen Kameras und Sensoren ausgestattet sind, überwachen und kontrollieren die Umgebung. Man lernt, wie eine KI dieses spekulative Ökosystem überwacht, berechnet, verwaltet und Vorschläge für Optimierungen macht. Wir hoffen, das Publikum dazu einzuladen, unsere Tendenz zu untersuchen, die Natur als ein System zu behandeln, das berechnet und repariert werden kann.

Screenshots

Recherche
CAON wurde unter anderem während eines Aufenthalts im transmediale Studio in Berlin und während eines Forschungsaufenthalts in Pakistan in Zusammenarbeit mit Pro Helvetia, 2022, entwickelt. Die Recherche beinhaltete Besuche in Institutionen, die genetische Veränderungen an Tieren durchführen, wie das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin. LAMS, Department of Life Sciences in Lahore und UVAS, Department of Wildlife & Ecology in Pattoki, Pakistan.

Credits
Marc Lee in Zusammenarbeit mit Shervin Saremi (Sound)

Shervin Saremi ist ein iranischer Musiker und Toningenieur, der in Bereichen wie Sonic Computing, prozedurales Sounddesign und Produktion arbeitet. Er hat Electronic Production and Design am Berklee College of Music studiert und forscht an der Universität der Künste Berlin (UdK) immersive Audiotechnik.

Marc Lee ist ein Schweizer Künstler. Er konzentriert sich auf in Echtzeit verarbeitete, computerprogrammierte audiovisuelle Installationen, AR, VR und Mobile Apps. Er reflektiert kritisch kreative, kulturelle, soziale, ökologische und politische Aspekte. Seine Projekte wurden an bedeutenden Museen und Medienkunstausstellungen ausgestellt, darunter ZKM Karlsruhe, New Museum New York, MMCA Seoul, Transmediale Berlin, Ars Electronica Linz.