YANTO – yaw and not tip over

Mobile App als Interface für interaktive Kunst-Installationen

Infolge zunehmender Versauerung und industriellen Aquakulturen werden unsere Ozeane zunehmend unbewohnbar. Aquakulturarbeiter, Veterinäre und Wissenschaftler setzen nun auf Gentechnik, synthetische Biologie und maschinelles Lernen als potenzielle Instrumente zur Eindämmung des Klimawandels. YANTO – yaw and not tip over stellt sich eine spekulative Aquakulturfarm in 30 Jahren vor, in der künstliche Intelligenz die Aufgabe übernimmt, synthetische Arten zu kreieren und zu optimieren, dass sie der zunehmend feindlichen Meeresumwelt standhalten. Durch die Perspektive eines KI-Simulators wird das Publikum eingeladen, mit den kreierten und mutierten Arten zu schwimmen und das sich verändernde Ökosystem zu beobachten.

Jede spekulative Spezies in der Umwelt hat eine Hintergrundgeschichte, die in realen Szenarien verwurzelt ist: die Muschelarten, die in einer versauerten Wasserumgebung langsam ihre Fähigkeit verlieren würden, Schalen zu bilden; die tropischen Arten, die bei extremer Hitze ihre leuchtenden Farben verlieren würden; die Fischarten, die aufgrund eines hohen pH-Wertes ihre Sinne verlieren würden. Wir stellen uns eine Zukunft vor, in der Technologien wie 3D-Druck, CRISPR und synthetische Biologie eine Rolle dabei spielen, Arten so zu verändern, dass sie bessere Überlebenschancen haben – Muscheln mit 3D-gedruckten Körperteilen, tropische Fische mit künstlichen Flossen, Pflanzen mit Seetang-DNA für einen niedrigeren pH-Wert. Mit einem bildgenerativen adversen Netzwerk – VQGan – haben wir diese hybriden Kreaturen auf der Grundlage ihrer realen Modelle geschaffen.

 

Beschreibung
In Unruly Appetites: Salmon Domestication «All the Way Down» (Lien, 2017) untersuchte Marianne Elisabeth Lien den heiklen Tanz des Gleichgewichts in einem Aquafarm-Ökosystem: Um die Seeläuse in einer überfüllten Lachspopulation zu reduzieren, führten Fischzüchter Lippfische als sauberere Arten ein, die wiederum «künstlichen Seetang» (in diesem Fall Plastikstreifen) benötigen, um als Lebensraum zu dienen. Durch die Einführung der Arten lernt der Mensch, das System für seinen maximalen Profit auszubalancieren. Wir nutzen bereits Technologien des maschinellen Lernens für die Identifizierung von Arten in der Unterwasserwelt – und es ist nicht schwer, sich eine nicht allzu ferne Zukunft vorzustellen, in der das maschinelle Lernen den Balanceakt für uns übernimmt und «optimiert» für menschliche Ziele.

In Under a White Sky weist die Autorin Elizabeth Kolbert auf die «Kontrolle» als grundlegende falsche Logik des Anthropozäns hin: «Wenn Kontrolle das Problem ist, dann muss nach der Logik des Anthropozäns noch mehr Kontrolle die Lösung sein.» Während wir uns in einer zunehmend heiklen politischen Atmosphäre bewegen, dominieren technologische Lösungskonzepte die Gespräche über den Klimawandel. YANTO reagiert auf den Trend zu technologiebasierten Lösungen, indem es Erzählungen über ein unberechenbares System unter extremer Kontrolle konstruiert – was optimieren wir und was ignorieren wir dabei? Das Projekt zielt darauf ab, unsere Tendenz zu untersuchen, komplexe Ökosysteme zu vereinfachen, indem wir die Natur als ein System behandeln, das repariert werden kann.

Erfahrung und Wirkung für das Publikum
Das Publikum interagiert mit der Installation über eine mobile Schnittstelle und navigiert mit einem Smartphone durch eine spekulative Unterwasserumgebung. Diese virtuelle Umgebung ist endlos und kann in jede Richtung navigiert werden. Die akustischen Klangerlebnisse wurden speziell für diese Aquafarming-Simulation komponiert und reagieren auf alle Bewegungen und Navigationsarten. Das Mobile-Display kann auf eine oder mehrere Wände im Ausstellungsraum projiziert werden.
Aus der Perspektive eines KI-Simulators wird das Publikum eingeladen, mit den manipulierten/mutierten Arten zu schwimmen und neue Simulationen zu erstellen, um das sich verändernde Ökosystem zu beobachten. Wenn sich das Publikum einer Spezies nähert, hat es die Möglichkeit, die Hintergrundgeschichte der Spezies zu erfahren. Wir hoffen, das Publikum dazu einzuladen, unsere Tendenz zu untersuchen, die Natur als ein System zu behandeln, die berechnet und repariert werden kann.

Screenshots

Credits
Iris Qu Xiaoyu, Marc Lee und Shervin Saremi (Sound)

Iris Qu Xiaoyu (geb. 1993, China) ist Künstlerin und Technologin in Brooklyn, NY, und arbeitet an der Schnittstelle von Software Engineering und Medienkunst. Mit Code als primärem Medium beschäftigt sich ihre Arbeit mit den spekulativen, politischen und poetischen Aspekten der Technologie. Ihre aktuelle Forschung konzentriert sich auf die versteckten Kosten der Optimierung in maschinellen Lernsystemen.

Shervin Saremi ist ein iranischer Musiker und Toningenieur, der in Bereichen wie Sonic Computing, prozedurales Sounddesign und Produktion arbeitet. Er hat Electronic Production and Design am Berklee College of Music studiert und forscht an der Universität der Künste Berlin (UdK) immersive Audiotechnik.